Biodiversität: Wenn Vielfalt zur Ausnahme wird
Der Rückgang der Biodiversität hat sich in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch beschleunigt. Was hat dies für uns zu bedeuten? Hauptursache ist vor allem die menschliche Aktivität.
Landnutzungsänderungen, Umweltverschmutzung und der Klimawandel gehören zu den stärksten Bedrohungen für die biologische Vielfalt unseres Planeten. Ihre Folgen sind weitreichend und betreffen nicht nur die Natur, sondern auch Wirtschaft, Gesundheit und Ernährungssicherheit.
Was bedeutet Biodiversität?
Biodiversität beschreibt die Vielfalt des Lebens in all seinen Erscheinungsformen. Sie umfasst nicht nur die Artenvielfalt, sondern auch die genetische Variation innerhalb dieser Arten, sowie das komplexe Zusammenspiel aller Lebensformen in funktionierenden Ökosystemen. Diese Vielfalt bildet das Fundament allen Lebens auf der Erde und ist zugleich stark gefährdet.
Laut einem UN-Bericht aus dem Jahr 2019 sind weltweit rund eine Million Arten vom Aussterben bedroht. Die Europäische Umweltagentur zeigt ein ähnliches Bild für Europa. Rund Zwei Drittel der geschützten Arten und drei Viertel der ökologisch bewerteten Lebensräume befinden sich in einem ungünstigen Erhaltungszustand.
In Fachkreisen ist längst vom nächsten Massenaussterben der Erdgeschichte die Rede. Solche Aussterbeereignisse, sogenannte Faunenwechsel, haben in der Vergangenheit bis zu 95 Prozent aller Arten ausgelöscht. Ökosysteme benötigen danach oft Millionen von Jahren, um sich zu erholen.
Warum ist Biodiversität so wichtig?
Biologische Vielfalt ist die Grundlage allen Lebens. Gesunde Ökosysteme erbringen unzählige Dienstleistungen, die wir meist als selbstverständlich betrachten. Pflanzen binden Sonnenenergie und ermöglichen Leben in der Nahrungskette. Bestäuber wie Bienen sichern die Fortpflanzung vieler Wild- und Kulturpflanzen. Wälder, Feuchtgebiete und Ozeane nehmen große Mengen Kohlenstoff auf und tragen so zum Klimaschutz bei.
Mikroorganismen sorgen für fruchtbare Böden. Die Artenvielfalt schützt vor Naturkatastrophen, reguliert das Klima und erhält sauberes Wasser. Fehlt ein Glied in dieser Kette, kann das ganze System ins Ungleichgewicht geraten. Welche dieser Kettenreaktionen ein großflächiges Artensterben auslösen könnte, lässt sich kaum voraussagen. Sicher ist jedoch das ohne Biodiversität keine stabile Zukunft möglich ist.
Die Ursachen des Artensterbens
Der Mensch ist die treibende Kraft hinter dem Artensterben. Die wichtigsten Ursachen sind die Umwandlung natürlicher Lebensräume durch Landnutzungsänderungen, Übernutzung durch Jagd und Überfischung, Umweltverschmutzung, invasive Arten und der Klimawandel. Die Zerschneidung von Lebensräumen, zum Beispiel durch Straßenbau, zerstört zusammenhängende Habitate und gefährdet die genetische Vielfalt vieler Arten.
Die Begradigung von Flüssen führt zum Verlust artenreicher Überschwemmungsgebiete. Überdüngung und Schadstoffe beeinträchtigen Wasser, Luft und Böden. Zusätzlich gefährden Wilderei und illegaler Handel viele Tierarten. Der Klimawandel verstärkt diese Belastungen zusätzlich.

Die Biodiversitätsstrategie der EU für 2030
Im Jahr 2021 verabschiedete das Europäische Parlament die Biodiversitätsstrategie für 2030 mit dem Ziel, bis 2050 widerstandsfähige und geschützte Ökosysteme wiederherzustellen. Mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresflächen in der EU sollen geschützt werden. Zehn Prozent, darunter Primär- und Altwälder sowie andere kohlenstoffreiche Ökosysteme sollen weitgehend unberührt bleiben.
Im Februar 2024 stimmte das Parlament einer verbindlichen Verordnung zu, die alle Mitgliedstaaten verpflichtet, Maßnahmen zur Wiederherstellung natürlicher Lebensräume zu ergreifen. Ein besonderer Fokus liegt auf der Förderung von Bestäubern, naturnahem Flächenmanagement und der Integration von Biodiversitätszielen in allen politischen Ebenen.
Große Bedenken für den Erhalt der Biodiversität
Wissenschaftler*innen sehen den Biodiversitätsverlust als eine globale Krise, die einen Klimakollaps sogar übertreffen könnte. Der Verlust von Artenvielfalt und genetischer Vielfalt, sowie die Beeinträchtigung von Ökosystemfunktionen bedrohen die Stabilität unserer Umwelt.
In landwirtschaftlich genutzten Systemen erhöht ein geringer Biodiversitätsgrad die Anfälligkeit für Schädlinge, Krankheiten und Extremwetter. Für Küstenregionen bedeutet das zudem höhere Risiken durch steigende Meeresspiegel, Überflutungen und tropische Wirbelstürme.
Globale Folgen eines lokalen Problems
Die Folgen des Biodiversitätsverlusts sind weltweit spürbar. Sinkt die Widerstandsfähigkeit der Ernährungssysteme, wirkt sich das unmittelbar auf die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln aus. Über 75 Prozent der globalen Nahrungspflanzen. Vor allem Obst- und Gemüsesorten sind auf tierische Bestäuber angewiesen.
Ein Rückgang der Artenvielfalt gefährdet die Lebensmittelproduktion und schwächt zugleich die natürliche Resistenz von Pflanzen und Insekten gegen Pestizide und Krankheiten. Auch die Nährstoffqualität der Böden nimmt ab.
Der Schutz der biologischen Vielfalt ist somit nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale und wirtschaftliche Herausforderung. Nur durch konsequente Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität lassen sich die negativen Auswirkungen auf Umwelt, Ernährung und Gesundheit begrenzen und Anpassungen an den Klimawandel ermöglichen.